4.4 Chiptunes 113 statierenden Aufgreifen von musikalischen Mitteln der jeweils aktuellen Popmu-sik (also vor allem der 1980er und frühen 1990er Jahre), existieren für populäre Soundchip-Musik wenig stilistische Konventionen. Für die populäre Soundchip-Musik sollen im Folgenden zwei Pole benannt wer-den, welchen die Künstler graduell zugeordnet werden können. Beide Pole tragen die Bezeichnung von großen, sich der jeweiligen Form widmenden Portalseiten im In-ternet, nämlich Chiptunes und Micromusic. Die beiden Begriffen werden in Texten über das Phänomen (vgl. z. B. Collins 2003a: 2) nicht deutlich umrissen und von-einander abgegrenzt gebraucht. Beim Gebrauch innerhalb der sich mit den Genres gebildeten Gemeinschaften werden beide Begriffe häufig synonym gebraucht, auch Bezeichnungen für Sub-Genres, wie »Chipcore« oder »Chip-Hop« werden benutzt, um eigene Stilistiken zu benennen. Die online verfügbare Stil- und Genre-›Landkarte‹ elektronischer Musik, »Ishkur’s Guide to Electronic Music«, siedelt die beiden Genres unter den Namen »VGM« (Video Game Music) und »Casiocore« (entsprechend Chiptunes und Mi-cromusic) als Subgenres von »Techno« an.28 Ein weiterer erwähnenswerter Bereich sind vor allem aus den USA stammende Cover-Bands, die bekannte Computer-spielmelodien als klassische Rock-Band (Gitarren, Schlagzeug, Bass) neu interpre-tieren. 29 4.4 Chiptunes Der Begriff Chiptunes hat ebenso die Soundchips als Klangerzeuger wie auch das Musikstück (engl. ›tune‹) bereits in sich vereinigt. Im Rahmen dieser Ar-beit und dem Angebot von Portalseiten wie Chiptunes.org oder Chiptune.com ent-sprechend, 30 kennzeichnen die sog. Chiptunes Musik, die ausschließlich für einen bestimmten Soundchip bzw. eine bestimmte Plattform programmiert worden ist. Ansporn des Komponisten/Programmierers ist es dabei, zwischen Fähigkeiten und Limitierungen dieses Soundchips ein möglichst aufregendes Musikstück hervorbrin-gen. Sowohl die Verfahrensweisen als auch die Wurzeln von Chiptunes hängen also neben der Produktion von Computerspielmusik stark mit der sog. Demo- Szene zusammen, welche seit Mitte der 1980er Jahre v. a. auf den Heimcomputer- Plattformen Commodore C64, Atari ST und Amiga aktiv ist. 28 »Ishkur’s Guide to Electronic Music V.2.5«: http://www.di.fm/edmguide/edmguide.html (19.07.2005). Diese Ressource stellt nur eine von vielen Versuchen dar, Genres und Stile populärer elektronischer Musik zu klassifizieren und kategorisieren. Der bisher umfassend-ste Versuch einer solchen Kanonisierung, die Publikation »All Music’s Guide to Electronica« (Bogdanov et al. 2001) erwähnt die hier unter Micromusic und Chiptunes gefassten Genres gar nicht. 29 z. B. »the minibosses« (http://www.minibosses.com) oder »the advantage« (http://theadvantageband.com; beide URLs: 07.07.2005). 30 http://www.chiptune.com (12.05.2005). Die Webseite bietet Chiptunes für verschiedene Plattformen an, wobei Micromusic nicht darunter fällt. Es handelt sich also um Stücke für einen einzelnen Soundchip bzw. eine bestimmte Plattform. Hinter den Internet-Seiten http://www.chiptune.de und http://www.chiptunes.org (beide 07.07.2005) stehen Archive für Ad Lib, Atari ST und Amiga-Chiptunes in den Dateiformaten YM, BIN, HSC, RAW, SA2 und verschiedenen MOD-Formaten, die u.a. mit dem Deliplayer 2 abspielbar sind.